Geistliche Impulse


Predigt vom Sonntag 19.11.2017

Schwestern und Brüder, liebe Kinder und Jugendliche


Wer fragt: "Was hat man zu tun?" – für den gibt es keine Antwort. "Man" hat nichts zu tun. "Man" kann sich nicht helfen, mit "Man" ist nichts mehr anzufangen. Mit "Man" geht es zu Ende. Wer aber die Frage stellt: "Was habe ich zu tun?" – den nehmen die Gefährten bei der Hand, die er nicht kannte und die ihm alsbald vertraut werden und antworten. "Du sollst dich nicht vorenthalten." Was also habe ich zu tun? Oder du?


Für heute drei Wortpaare: Frauen und Mehr, Mitleid und Weniger, Armut und Reichtum


Frauen und Mehr


Vielleicht hat es euch überrascht, heute eine Version der ersten Lesung zu hören, die kein Auszug aus dem Auszug des 31. Buches des Buches der Sprichwörter war, sondern die Gesamtheit des Gedichtes des Alten Testaments über die tüchtige Frau darstellt. Das Überraschende oder vielleicht auch nicht. Der Auszug vom Auszug, der üblicher Weise an diesem Sonntag gelesen wird, reduziert die Rolle der Frau auf ihre Verpflichtung im Haushalt. Jene Version die wir heute gehört haben, jene in voller Länge, die im Übrigen im Hebräischen jede Verszeile mit dem nächsten Buchstaben im hebräischen Alphabet beginnen lässt, ein Gedicht also, stellt uns eine Frau vor, die viel mehr als nur den Haushalt schaukelt, sie ist sozial engagierte, Unternehmerin, die das Leben mit Weisheit lebt. Es sind die überschlauen Selektoren von biblischen Auszügen, die dem „ungebildeten“ Volk ein auf den Haushalt reduziertes Frauenbild  vermitteln wollten, das unterstelle ich Ihnen einmal, die jene Verse zusammengestellt haben, das ihrem Wunschbild entsprach, und dabei auch Mitverantwortung tragen, dass die Frau in der Gesellschaft und in der Kirche von heute weit von einer Gleichberechtigung entfernt sind. Es gilt also zweierlei. Es gilt immer wieder kritisch zu hinterfragen, ob das was uns als geistliche Nahrung angeboten wird, die Fülle der Gabe Gottes darstellt, und es gilt auch für uns, darüber nachzudenken, ob nicht ich selbst hie und da, oder wahrscheinlich doch immer wieder bewusst oder unbewusst, wichtige Teile aus unserem Leben ausblenden, nicht erzählen, verschweigen, die dem Zuhörer ein angemesseneres Bild der Wirklichkeit präsentieren würde. Selbst für die heutige Predigt, gilt es weiterhin kritisch zu bleiben. Ein Talent.


Mitleid und Weniger


Ich komme gerade von einem Treffen salesianischer Exerzitienbegleiter. Wir haben uns dieses Mal mit der 3. Betrachtung von Franz von Sales aus der Philothea beschäftigt. Darin will Franz von Sales uns auf die Wohltaten Gottes aufmerksam machen. Und er schreibt: Blicke mit Mitleid auf jene Menschen, die zwar viel besser sind als du, die aber ein viel schwereres Schicksal wie du haben. Wir haben uns in einem zweistündigen Gespräch nur mit dem Wort „Mitleid“ beschäftigt. Wir haben uns schwer getan mit diesem Wort. Wir hätten eher das Wort „Empathie, Mitgefühl“ gebraucht. Mitleid ist so von oben herab, nicht wirklich „jesuanisch“, nicht auf Augenhöhe in der Begegnung mit dem anderen, mit der anderen. Der Blick auf die Armen, auf die uns heute Franziskus im Welttag der Armen hinweist, darf nicht ein mitleidiger Blick sein, es gilt konkrete Schritte zu setzen. Mitleid also – Fragezeichen. Zwei Stunden Gespräch. Bis ich die französische Originalausgabe jener Stelle von Franz von Sales rausgeholt habe, um zu sehen, welches Wort denn Franz von Sales da damals vor 450 Jahren verwendet hat und siehe da: Franz von Sales spricht gar nicht von Mitleid. Er schreibt nur: Blicke auf die Tatsache, dass es Menschen gibt, die besser sind als du, und ein schwereres Los als du tragen müssen. Weg war das Mitleid. Danke lieber Übersetzer für deine Interpretation. Kritisch bleiben und wachsam. Ein weiteres Talent.


Armut und Reichtum


Manche haben Nichts, und sind sehr reich; manche haben viel, und sind sehr arm. Am Welttag der Armen, den uns Papst Franziskus ans Herz legt, gilt es diese Spannung auszuloten. Es geht nicht um oberflächliche Ruhigstellung, es geht um in den Blick nehmen. Ich war vorige Woche in Rom. In unserem Haus dort wurde die Heizung
repariert. Wir hatten also bei draußen 5 Grad, drinnen für zwei Tage keine Heizung. Ich habe schon lange nicht mehr so gefroren. Und mir wurde bewusst, wie dankbar ich bin in einer Zeit zu leben, wo Wärme nach Hause geliefert wird. Jene in den Blick nehmen, die sich trotz unserer Möglichkeiten heutzutage die Wärme nicht leisten können, ist wichtig. Die Armut, mit all ihren Facetten in den Blick zu nehmen und konkret etwas zu tun, ist ein uns anvertrautes Talent. Kritisch den Blick auf das richten, was wir wahrnehmen, nicht auf die durch Hinzufügung oder Verheimlichung verzerrte Wirklichkeit achtend, unseren Beitrag dazu leisten, dass strukturelle Armut bekämpft und Gerechtigkeit vermehrt wird. Unsere Talente dafür einsetzen, dass das Reich Gottes für jeden einzelnen Erdenbürger wahrnehmbar und erlebbar wird, und heute konkret ein Zeichen setzen. Das ist ein Reichtum.


Frauen und Mehr. Mitleid und Weniger. Armut und Reichtum. P. Sebastian‘s sonntägliche Selektion zum Nachdenken und Handeln. Mehr und weniger. Arm und reich. Kritisch und achtsam.


Amen 

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