Predigt vom Sonntag 09.10.2016
28. Sonntag im Jahreskreis _ Lj C (Lk 17,11-19; 2 Kön 5,14-
17)
Es läge jetzt natürlich auf der Hand, wie das wahrscheinlich heute die meisten Prediger machen, über die Dankbarkeit
zu reden, über ihren Wert und über ihr Verschwinden in einer konsumabhängigen Wohlstandsgesellschaft. Denn
dieses Evangelium von den 9 Aussätzigen, die es nicht für wert halten „Danke“ zu sagen, bietet sich ja direkt zum
Vergleich an.
Ebenso der reiche, arrogante Naaman bietet sich zum Vergleich mit unserer großspurigen (korrupten)
Gesellschaft an, weil er sich mit so einer lächerlichen Forderung, wie Elischa sie ihm stellt, eher auf den Arm
genommen fühlt als ernst genommen. Er soll siebenmal im Jordan, diesem „Bacherl“ im Vergleich zu den Flüssen
seines Landes, untertauchen, damit er vom Aussatz befreit wird. Man könnte auch heute sagen: er ist Erste-KlassePatient,
er kann sich eine bessere Behandlung für seine Hautkrankheit leisten als der Durchschnittspatient. Daher
erwartet er sich, dass der Primar ihn persönlich behandelt und nicht über irgendeinen Turnusarzt ihm ausrichten lässt,
was er tun soll, damit er gesund wird. Und als er dann schließlich wirklich gesund wird, zieht er sein Scheckbuch –
schließlich kann er sich s ja leisten - und möchte sich mit einer ordentlichen Spende erkenntlich zeigen. Elischa aber
nimmt keine Schmiergelder. Denn nicht er hat geheilt, sondern Jahwe.
Mich regt besonders die Geschichte von den 10 Aussätzigen noch zu einem anderen Gedanken an … und
vor allem das Verhalten des einen Aussätzigen, der umdreht und sich bedankt. Er ist nämlich ein Samariter … und daher
kein Rechtgläubiger! Zumindest ein Andersgläubiger, wie übrigens auch der Syrer Naaman. Von ihnen kann man
nicht nur als Jude, sondern auch als Christ etwas lernen! Die beiden sind – wir würden vielleicht heute sagen –
liberale (moderne) Leute, die mit dem Glauben nicht viel oder vielleicht gar nichts am Hut haben. Bestenfalls
Gelegenheitschristen oder vielleicht Esoteriker oder auch Agnostiker, auf alle Fälle welche, die sich ohne klares
Bekenntnis im Supermarkt der Religionen bedienen. Von überall ein bisschen was, je nachdem, was man gerade
braucht!
Interessant ist, dass gerade dieser Mann aus Samarien Jesus beeindruckt mit seinem Verhalten. Während die 9
Frommen schnurstracks zu den Priestern eilen, so wie es die Religion befiehlt - also fast wie ferngesteuert von der
Tradition ihrer Religion wirken, denkt der eine, dem die Tradition wurscht ist, darüber nach, was jetzt eigentlich
passiert ist – er ist nämlich wirklich „rein“ geworden, also gesund – und da ist es für ihm völlig klar, sich zunächst
einmal für das zu bedanken, was Jesus da an ihm bewirkt hat. Beeindruckend! Er, der anders- oder vielleicht gar nicht
Gläubige reagiert viel authentischer und echter, viel menschlicher und verständlicher als die 9 Gläubigen, die
nichts anders im Sinn haben, als linientreu und gehorsam das zu tun, was man ihnen befohlen hat. Und nicht nur
Jesus ist von dessen spontanem Verhalten beeindruckt, sondern auch jeder, der diese Geschichte hört, denn
wirklich geheilt – von Gott Heilung erfahren – hat der, dem die Traditionen gar nicht bekannt waren, geschweige denn,
dass er in ihnen irgendeinen Sinn entdecken konnte. So tat er einfach, wonach ihm zumute war – umdrehen und
„Danke“ sagen.
Stellt sich die Frage, wofür diese Perikope plädiert? Für das Einhalten alter Traditionen oder eher doch für eine –
vielleicht formlose, aber umso mehr authentische und ehrliche, stimmige Art, das auszudrücken, wonach mir
zumute ist oder was ich mir denke, auch wenn es mit der Tradition nicht konformgeht?
Ich denke, es lohnt sich auf alle Fälle, einmal in der heutigen Situation unserer Kirche darüber nachzudenken, was mehr
den Menschen von heute dient: Aufrechterhalten der Traditionen – egal ob sie verstanden werden oder nicht –
und damit auch eine religiöse Ausgrenzungspolitik, oder aber eine tolerante verständnisvolle und gemeinsam
suchende Haltung, die nicht von Traditionen und Gesetzen bestimmt wird, sondern von der gemeinsamen Suche nach
dem Heil. Haben am Ende die, die sich um keine religiösen Pflichten und Traditionen mehr kümmern, eine reinigende
Bedeutung für die, die „im Guten verhärtet sind“ und alles so befolgen, wie es immer war?
Bitte, verstehen Sie das jetzt nicht falsch, ich will niemanden demoralisieren, der treu und redlich seine Religion lebt.
Ganz im Gegenteil! Aber es braucht auch immer die Herausforderung, die alles, was Gefahr läuft Routine und
reine Tradition zu werden, wieder aufscheucht und zur Neuorientierung nötigt. Ich denke, das ist es, warum unser
Papst Franziskus besonders bei den Naamans von heute, bei den Samaritanern von heute so punktet. Auch wenn er
selbst der Tradition treu ist, aber er lässt sich von allen, die die Tradition vergessen haben oder gar nicht kennen,
herausfordern. Daher das Jahr der Barmherzigkeit, die verschiedenen päpstlichen Schreiben zu den brisanten
Themen der heutigen Zeit.
Und wenn wir all das jetzt auf unsere Realität herunterbrechen, dann ist das vielleicht auch für uns (als
Konviktgemeinde) eine Einladung und eine Herausforderung, alles, was hier nur mehr Tradition ist,
wieder neu zu hinterfragen und es auf das auszurichten, wonach die Menschen heute bedürfen, um heil zu werden.
Ich wünsche uns, dass wir das in uns spüren, was der eine von den 10 Aussätzigen gespürt hat, und dass wir auch den
Mut haben, dann unserer Inspiration nachzugehen.
Amen