Predigt 18.Jänner 2015
2. Sonntag im Jahreskreis _Lj B (1 Sam 3; Joh 1,35-42) (Konvikt Ried)
Aus diesem Evangelium von der Berufung der ersten Jünger kann man ein paar markante Schlüsse über den Menschen und seine Begeisterungsfähigkeit ziehen.
Diese Begeisterungsfähigkeit kann sich positiv oder – wie wir es in der letzten Woche wohl überall gelesen und gehört haben – auch negativ auswirken, sodass Menschen zu Terroristen werden, Schrecken und Angst verbreiten, sodass man sich nirgends mehr seines Lebens sicher sein kann. Im Evangelium werden die begeisterten Menschen zu heilenden und rettenden Menschen. Und doch: Ob positiv oder negativ, es beginnt immer mit der Jüngerschaft. Was ist ein Jünger? Das Wort wird eigentlich nicht mehr im täglichen Sprachgebrauch verwendet. Heute sagt man: Fan, Anhänger, Gefolgschaft, Schüler, Azubi, Lehrling. Zweifelsohne kommt das Wort Jünger von „jung“, denn es ist das Kennzeichen junger Menschen, sich einer Leitfigur, einem Vorbild, anzuschließen. Nicht nur, weil man jung an Jahren ist, sondern weil man eben auch noch jung an Erfahrung ist, jung an Ausbildung, jung an Lebensweisheit, jung an Entscheidungsfähigkeit, jung an Bindungsfähigkeit - jung – das heißt: erst am Anfang. Gerade in dieser Zeit braucht ein Mensch Menschen, an denen er sich orientieren kann, von denen er gute Tips und Empfehlungen gern entgegennimmt. Wir Älteren genießen das ja auch, wenn wir mit einem jungen Menschen beisammen sind, um dann wie ein Meister oder eine Meisterin diesem unerfahrenen Menschen das Leben zu erklären.
Wie gut tut es doch, wenn mir jemand meine Lebensweisheiten abnimmt! Also nicht nur der junge Mensch liebt es, sich an Vorbilder auszurichten, auch die Erwachsenen genießen es, Vorbilder für die Jungen zu sein. Genau für diese Beziehungsebene des sich gegenseitigen Suchens und Wertschätzens, des sich gegenseitigen Begeisterns und Anziehens trifft das Wort „Jünger“ zu. Deshalb darf man dieses Wort niemals ohne sein Gegenüber, ohne sein Pendant, denken – nämlich ohne den Meister oder die Meisterin. Dieses Verhältnis ist ein Phänomen. Es ist kein körperliches, aber ein so stark geistiges und geistliches Verhältnis, dass man von einem tiefen ineinander Verbundensein oder gar Verwobensein spricht, das schließlich einen Menschen so in Besitz nehmen kann, dass er sich völlig unterwirft und steuerbar wird. Das gilt aber für beide Seiten. Nicht ohne Grund sagt ein Sprichwort: der Jünger macht den Meister. Weil auch der Meister sich von der Lernbegierde des Schülers steuern lässt und sich dadurch abhängig von den Interessen der Schüler machen lässt. Fanatismus findet nicht selten genau in diesen gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen Meistern und Jüngern seinen Nährboden. Wenn also das Wort „Jünger“ heute nicht mehr gebraucht wird, aktuell ist es offensichtlich mehr denn je, vor allem wenn man die Jugendlichen in Betracht nimmt, die sich vom Dschihadismus im Bann ziehen lassen.
Aber blicken wir unter diesem Aspekt einmal auf Jesus und seine Jünger … und auf den jungen Samuel und seinen Lehrmeister Eli. Dass bei diesen Menschen eine Begeisterung spürbar ist, steht wohl außer Zweifel. Ich denke, sogar die ganze Dynamik dieser Jüngerberufungsgeschichten ist mit vielen anderen Jüngerberufungen von politischen wie von religiösen Gruppierungen vergleichbar. Im Telegramstil lässt sich das wunderbar aufzeigen: da ist einer, der ist Wegweiser, der macht den Meister interessant: Johannes der Täufer. Seht, dort ist das Lamm Gottes. Er macht Propaganda, Werbung für das Neue. Die beiden Junger – verunsichert und voll auf der Suche (ähnlich wie beim jungen Samuel) – hören auf ihn und folgen dem vermeintlichen Meister. Der Meister Jesus nimmt Blickkontakt mit ihnen auf und fragt sie nach ihrer Sehnsucht. Die beiden Jünger wollen wissen, wo er wohnt – sie wollen also nicht nur ein paar Worte von ihm hören, sondern sie wollen ihn ganz erleben, seine Wohnung sehen, so wie er lebt. Sie wollen ihn privat kennenlernen. Wie viele Fans geben was dafür, wenn sie mit einem Idol privat zusammen sein können – so auf: nur ich und er/sie. Ich denke, die beiden Jünger waren mehr labil als fest entschlossen, als sie mit Jesus mitgingen. Und sie blieben den ganzen Tag bei ihm. Aus labilen Suchern wurden begeisterte Jünger. Wir haben den Messias gefunden, also den absolut verehrungswürdigen Meister, den Christus, gesalbt mit göttlicher Vollmacht. Und Jesus, der wohl auch gespürt hat, was das mit ihm gemacht hat, dass er da zwei Jünger für sich begeistern konnte, war keineswegs sparsam mit Komplimenten: du sollst Kephas heißen, denn du bist stark wie ein Felsen.
Es ist vielleicht etwas gewagt, diese Berufung der ersten Jünger Jesu mit der Berufung anderer Jünger in irgendeine politische oder religiöse Extremistengruppe zu vergleichen, aber Jüngerberufungen spielen sich überall gleich ab. Entscheidend ist – und das ist der Unterschied – ob man begeisterungsfähige Menschen an sich bindet oder sie zur Freiheit befähigt, zum selbständigen Denken, zum verantwortungsvollen Handeln gemäß der Würde des Menschen,… letztlich ob man sie zum Lieben begeistert, zur Hingabe und zum Dienen. Für diese Wertschätzung des Lebens und der Liebe bürgt kein anderer als Gott selbst. Das ist die Erfahrung des Jesus von Nazareth, das ist auch die Erfahrung, die der Meister Jesus seinen Jüngern mitgibt. Es ist die Erfahrung, die Eli seinem Schüler Samuel mitgibt: Geh, leg dich schlafen, Wenn Gott dich wieder ruft, dann antworte: Rede Herr, denn dein Diener hört. Was Gott dir sagt, das kannst du nur selbst hören, das kann ich dir nicht sagen, denn es wäre gefährlich für dich und für mich, denn wir würden uns gegenseitig abhängig machen. Das Evangelium, das mit diesen ersten Geschichten noch jung ist, wird uns das ganze Jahr über zeigen, wie Jesus, der Meister, seine Jünger menschlich bildet und prägt … und sie zum Dienen und zum Lieben ausbildet … und das geht nur in Freiheit, niemals in Abhängigkeit oder unter Zwang. Das ist es wohl auch, was die beiden erfuhren, als sie den ganzen Tag bei ihm blieben. Sie waren vielleicht zunächst noch unreflektiert begeistert, aber im Laufe des Weges mit ihrem Meister lernten sie genau, was es heißt zu lieben und zu dienen.
Eigentlich nicht uninteressant, einmal das Evangelium unter dem Aspekt der Jüngerschaft zu betrachten. Amen